Ins Piemont wollte ich schon länger mal fahren. Besonders interessierte mich das Netz an ehemaligen Militärstraßen, die die Bergwelt zwischen 2000m und 3000m erschließen. Ursprünglich wurden sie gebaut als Grenzbefestigung Italien - Frankreich im Verlauf des Alpenhauptkammes.
Aufgrund ihres festen Unterbaus für die Versorgung der Forts und Stellungen sind die meisten Sträßchen noch heute in einem erstaunlich gutem Zustand. Allerdings wären sie ohne Unterhaltung heute nicht mehr durchgängig zu befahren, da es doch regelmäßig Schäden durch Hangabrutschungen, Lawinen usw. gibt. Touristisch interessante Strecken werden instand gehalten vor allem für Mountain-Biker und Wanderer, andere Strecken verfallen bis zur Unfahrbarkeit und sind daher und wegen dem folgenden gleich gesperrt.
Einige Off-road-Fahrer haben leider ihr Hirn nicht ganz mittig und müssen sich abseits der Wege im freien Gelände austoben, was häßliche Spuren hinterläßt, die sich in hochalpinen Regionen nur sehr langsam bzw. gar nicht mehr regenerieren. Die Folge wird zwangsläufig sein, dass weitere Strecken in den nächsten Jahren gesperrt werden.
1. Tag: Anfahrt
Dresden - Nürnberg - Memmingen - Lindau - Bregenz - Chur - San Bernardino - Bellinzona - Lugano - Varese (Zwischenstop 20 Uhr, Family Camp Malnate) - Torino - Susa - Salbertrand (Zeltplatz Gran Bosco, Ankunft 2. Tag mittags). Strecke rund 1000 km.
Zwischenstop Family Camp bei Varese |
2. Tag: Colle Sommeillier
Gleich nach Ankunft bei schönstem Wetter. Ist Fr.-So. 9-17 Uhr gesperrt. Stichstraße zum Colle, höchster mit Motorfahrzeugen anfahrbarer Punkt in Europa (3000m). Die letzten Meter waren durch ein Schneefeld nicht passierbar, jedenfalls nicht für mich und die Kuh. Eine Spur war gefahren, aber nur mit zusätzlichem Schiebeeinsatz zu bewältigen, was ich später auf dem Zeltplatz von einer geführten Gruppe erfuhr (Sportenduro).
Der anschließende Fußmarsch zur Passhöhe wurde mit umfassenden Fernsichten belohnt. Bereits hier zeigten sich erstmals die berüchtigten Spuren "freien" Geländefahrens. Auch die Klimaveränderung war drastisch sichbar. Der in der Karte verzeichnete Glacier du Sommeillier existierte schlicht nicht mehr. An seiner Stelle gähnte eine kahle Felsrinne. Getroffene Enduristi bestätigen seine Existenz bis ca. 2005.
3. Tag: Monte Jafferau
Im Gegensatz zur Aussage des Chefs der geführten Motorradgruppe, die auf dem gleichen Zeltplatz residierte ("Ah, der Schafferoh isch scho seit Jahre gschperrt, da kannscht net rauffahre") war die Strecke ohne Einschränkungen befahrbar. Highlight ist ein 850m langer Tunnel, der U-förmig zwei große, ausbrechende Felsgrotten umgeht, welche die frührere Wegführung komplett verschüttet haben. Der Tunnel ist komplett unbeleuchtet und führt auch Wasser.
Das Sträßchen schraubt sich also weiter in die Höhe und hinter einer nicht einsehbaren Kehre "lauerte" die Polizia Forestrale, welche jedes Fahrzeug registrierte. Vermutlich Verkehrszählung, wofür auch immer. Nachmittags waren sie weg. Das von einem Landy-Fahrer tags zuvor berichtete Schneefeld war tatsächlich da, aber wie beschrieben einspurig problemlos in der gefahrenen Spur passierbar. Für den Landy dürfte hier Schluß gewesen sein. Ein paar Tage später war es wohl, nach Regen, ganz verschwunden und die 4x4 auch am Fort präsent.
Von weitem war schließlich das Fort Jafferau schon zu erkennen nebst unterhalb gelegener Mannschaftsunterkünfte. Erstmals zeigte sich hier die urspüngliche Befestigung der Militärstrassen. Sie besteht aus zentimeterdicken, vor Ort gewonnenen Steinplatten mit einer geraden Kante, die einfach senkrecht und quer in den Boden gesetzt wurden. Sehr stabile Sache, aber auch sehr holprig, da die Kanten mit der Zeit und durch die Belastung teilweise ausbrechen. Teilnehmer der geführten Motorradgruppe traf ich abends auf dem Zeltplatz wieder. "Der Stehlin" (bekannter Motorrad-Reiseveranstalter aus dem freiburgischen) war wohl selbst oben.
Auf dem Rückweg kurzer Abstecher zum Fort Pramand, von dem sich keine besonderen Ausblicke boten, dafür aber morbiden Charme verströmte. Auf dem Abstieg begegneten mir doch eine Menge Großstadt-Cowboys mit schicken, durchaus geeigneten 4x4, die sich aber vermutlich nicht alleine rauftrauten. Die Lenkerin des letzte 4x4 (BMW X5 !) bedankte sich für mein Warten und bemerkte nur "wir sind seit 3 Wochen hier, das ist jetzt die letzte Gruppe, die wir hochscheuchen". Mich deucht, Aufkleber nach Art eines Offroad-Magazins zierten ihr Wagenheck.
3. Tag: nothing
Vormittags Regen, Klamotten trocknen, da ich trotzem Richtung Assietta aufgebrochen war. Keine Chance. Nachmittags kleiner Abstecher mit Blick zum Monte Chaberton.
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4. Tag: Varaita-Maira-Kammstrasse
Zur Anfahrt mussten zwei auf der Strecke liegende Asphalt-Pässe "mitgenommen" werden. Col d’Izoard (2300m, Frankreich) und Col Agnel/Colle dell'Agnello (2700m, F/I), welche zügigst passiert wurden. Aufstieg über den asphaltierten Colle Sampeyre. Die Denzel-Beschreibung "grob geschottert" war ziemlich untertrieben, faustgroß geschottert trifft es eher.
Insgesamt sehr schöne Aussichten auch in die italienische Tiefebene. Unterwegs führten drei Italiener, alle auf Großenduro unterwegs, den gekonnten Umgang mit denselben auf grobem Schotter vor. Es geht wohl doch einiges mehr bei entsprechendem Zug am Gas. Die intensive Nutzung der niederen alpinen Wiesen durch Beweidung hinterläßt fast noch größere Flurschäden als das Querfeldeinfahren, was natürlich nicht heißen soll, dass letzteres nicht so schlimm sei. Abstieg ins Tal über Asphalt und durch selbiges den gleichen Weg zurück zum Zeltplatz.
5. Tag: Versuch Assietta
Westlicher Direkteinstieg in Sestriere gesperrt aufgrund einer Sportveranstaltung an diesem Tag. Östlicher Aufstieg von Finestrelle aus war offen, Colle delle Finestre ebenfalls. Assietta jedoch auch von hier aus gleichem Grund gesperrt. Erkundung des gut erhaltenen Forts auf dem Colle delle Finestre und Abstieg über selbigen ins Susa-Tal. Da Sonntag war, fahren die Italiener gern ins Grüne, picknicken und entspannen. Entsprechend viel Begängnis, was am folgenden Montag schlagartig nachließ.
6. Tag: Assietta
Montag. Bei bestem Wetter direkt vom Susa-Tal aus angefahren präsentierte sich die Assietta in einem traumhaften Zustand. Kaum Verkehr. Die Bilder sprechen für sich. Die Assietta ist ca. 50 km lang und verbindet auf einer gleichmäßigen Höhenführung mehrere Pässe, die diesen Bergkamm queren.
Kurz vor Ende überholten mich noch meine Zeltnachbarn. Gesehen haben sie von der Landschaft bei dem Tempo sicher nicht viel. Später auf dem Zeltplatz wurde berichtet, dass sie sich bei einigen "Lockerungsübungen" abseits im Gelände gegenseitig filmten. "Eh, Ralf, wie hieß der Colle gleich, den wir gefahren sind? War das der 410er (das ist die Denzel-Streckennummer, und ja, Ihr wart auf der Assietta)?" Ohne Worte...
Abreise
Alles gesehen, was ich mir vorgenommen hatte. Kann es noch eine Steigerung geben? Nein, ich denke nicht, zumindest nicht dieses Mal. Daher Abreise und denselben Weg zurück. Nur diesmal in einem Stück abgerissen in 14 h.
Aufbruch |
Chaos an der it. Maut-Stazione |